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Mensch ist nach Georg Simmel ein Unterschiedswesen. Die Soziologie
von Pierre Bourdieu ist nicht nur eine grandiose Entfaltung, sondern
auch eine methodische Radikalisierung dieser Einsicht. Eine von dessen
Pointen ist, dass die Unterschiede, die ein Mensch in seinem Verhalten
setzen will, oft nur lose gekoppelt sind mit denen, mit deren Hilfe
dieser Mensch von seinen Mitmenschen eingeschätzt wird. Man glaubt
als Kritiker zu lehren - und wird als intellektueller Machthaber
beobachtet. Die beiden wichtigsten Begriffe - Habitus und
Feld -, die Bourdieu in die Soziologie eingeführt hat, antworten
auf das Problem, wie diese lose Kopplung in soziale Ordnung zu überführen
ist. Im "Habitus" lebt jemand in einen Verhaltensstil hinein, der
gleichsam gewappnet ist gegen Fremdbeschreibungen, der diesen also
entgegenkommt, sie aber auch abwehrt. Der Kritiker zum Beispiel, als
Machthaber beobachtet, wird streng, denn als Habitus erlaubt die Macht
es ihm, sie selbst als Form der Kritik auszuüben. Das "Feld"
wiederum ist die gesellschaftliche Voraussetzung, aber auch das gesellschaftliche
Ergebnis eines Habitus. So erlaubt es das Feld des Akademischen, die
Kritik sachlich, das heißt als Wissenschaft fruchtbar werden
zu lassen, zugleich jedoch die Effekte der Macht auf die Bereiche
der Universitäts- und Verlagspolitik zu begrenzen und so einen
Habitus institutionell fruchtbar werden zu lassen und ihm noch seinen
begrenzten Ort zuzuweisen und damit den möglichen Schaden zu
begrenzen. Bourdieu war ein Meister der Beschreibung in diesem Sinne
dialektischer Verhältnisse.
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