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Pierre Bourdieu starb am Mittwoch abend in Paris einer der letzten
Soziologen-Popstars. Sozusagen ein systematischer Marcuse, der den
Marxismus dahingehend dynamisierte, daß er Klassen und Schichten
nicht mehr nur ökonomisch, sondern auch kulturell determiniert
wissen wollte. Die Nichtverfügbarkeit von symbolischem Kapital
kann genauso schmerzen wie Geldmangel. Die sich ergebenden Probleme
verhandelte Bourdieu mittels einer Feldtheorie, für die er in
seinem 79er Hauptwerk "Die feinen Unterschiede" die legendäre
Formel "[(Habitus) (Kapital)] + Feld = Praxis"
fand.
Damit bewegte er sich gutgelaunt außerhalb klassischer linker
Grabenkämpfe in Richtung Sozialismus. Mit seinen Manifesten "Für
eine Linke links von der Linken" (1998) oder "Einberufung
von Generalständen der sozialen Bewegungen in Europa" (2000)
kämpfte er wacker gegen den intellekteullen Skeptizismus, doch
nichts tun zu können. Er dagegen empfahl, alle bekennenden Neoliberalen
mit einem Hubschrauber über den Slums von Manhattan oder den
Favelas von Rio de Janeiro abzusetzen.
Man könnte ihn so zusammenfassen: Keiner frißt was, nur
weil es ihm so schmeckt. Egal, was du kaufst – es ist Klassenkampf.
Oder so: Niemand hört Bach, nur weil es ihn ästhetisch
anspricht. Die Bedeutung von Kunst ergibt sich allein aus ihrer Funktion
im Klassenkampf. Außerhalb der Revolution ist Distinktion alles.
"Das neue Kleinbürgertum findet seinen vollendetsten Ausdruck
in (...) all den Institutionen, die den Verkauf von symbolischen Gütern
und Dienstleistungen betreiben." Entsprechend brutal hat er meine
Jugend abgeheftet: Mein "ambivalentes Verhältnis zum
Ausbildungssystem" ließ mich lange "mit jedwedem symbolischen
Protest sympathisieren" und brachte mich dazu, mir "alle
Gattungen, die nur am unteren Rand der legitimen Kultur existierten,
anzueignen und in der Übernahme amerikanischer Moden und Vorbilder
– Jeans, Rock, Underground – an der legitimen Kultur Revanche zu nehmen."
Mit aller Melancholie: Heute ist Selbstkritik. "Gegen einen
solchen Gegner ist das Wissen eine wirksame Waffe, zumal dann, wenn
es um eine Kritik der Effekte falschen Wissens ergänzt wird,
die ja letztlich immer darauf aus sind, das Opfer ins Unrecht zu setzen
(den Lehrern Konservatismus vorzuwerfen)."
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