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Französischer
Sozialphilosoph Pierre Bourdieu am Mittwoch gestorben.
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hatte schon fast zugesagt, zu unserem »Fest der Menschlichkeit«
am 24. Mai nach Frankfurt (Main), das er die »europäische
Kapitale des Bankenkapitals« nannte, an den Fuß des Deutsche-Bank-Turms
zu kommen. Wenn er wieder aus dem Krankenhaus sei, bis dahin. Sein
Referat vom 17. Juni 2000 bleibt uns noch in lebendiger Erinnerung.
Diesen Turbokapitalismus nannte er damals »Tyrannei der Profitraten«
und »Höllenmaschine«, die »ihre Gesetze den
Staaten aufzwingt«, die Agenden und Agenten prägt, die
den Parlamentarismus umzubauen trachtet, die zum reinen hochdotiert
kulturellen Zerstreuungsapparat von Bedenken, Ängsten und Zorn
zu werden droht und die Intellektuelle mietbar macht, das zu werden,
was Brecht im »Kongreß der Weißwäscher«
der Frankfurter Schule um Adorno karikierte.
Der Aussteiger aus dem Apologetenchor der affirmativen Wissenschaftler
und Philosophen hatte jenen Schreibtischtätern »Gegenfeuer«
verkündet, die für einen Spross auf der Karriereleiter Profite
»arbeitsplatzschaffend«, Kriege »human« und
Globalisierung als »alternativlos« beschreiben. Gegen
diese »Quasi-Intellektuellen« (Bourdieu), »die innerhalb
des neuen Feldes der Macht eine beherrschte Fraktion bilden«,
setzte er »die Welt der Gelehrten als eine Art Wirklichkeit
gewordener Utopie« sowie eine »Vernetzung von Intellektuellen
und Spezialisten, sowohl untereinander als auch mit sozialen Bewegungen,
die die Höllenmaschine stoppen könnte«, wie es Sabine
Kebir in Frankfurt an die Adresse Bourdieus formuliert hat.
Bourdieu, 1930 in Denguin/Basses geboren, seit 1981 Inhaber des Lehrstuhls
für Soziologie am weltbekannten »Collège de France«,
Träger der »Médaille d’or des Centre National Recherche
Scientifique«, der höchsten Wissenschaftsauszeichnung Frankreichs
mit Buchauflagen, von denen andere Professoren nur träumen, war
das »enfant terrible« des europäischen Universitätsbetriebs.
Ein Aussteiger – auch aus dem Elfenbeinturm der rein kontemplativen
Geistestechnokraten. Mit seiner »Antiglobalisierungs«-Bewegung
»Raisons d’agir« versuchte er »aus einem echten
Interesse an der Uneigennützigkeit, einer Leidenschaft für
die Vernunft und einer Liebe zur Wahrheit« die Welt zu ändern.
In Hörsälen und auf öffentlichen Plätzen wollte
er die Wissenschaft zu einem Handeln gegen den Neoliberalismus ermutigen.
Und so bleiben uns die guten Gründe zum Handeln erhalten und
sein Wunsch: »Man müsste es fertig bringen, Wissenschaft
und Militanz zu versöhnen, den Intellektuellen die Rolle der
Militanten der Vernunft zu geben, die sie im 18. Jahrhundert hatten.«
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