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  Pierre Bourdieu

 
   

sociologue énervant

 
   

 

Décès de Pierre Bourdieu :(
 

 
   

 


Pierre Bourdieu

 Bourdieu, Kampfsportler
 gegen den Neoliberalismus
.




VON HANS HAIDER, die Presse, Wien, 25.01.2002 - Kultur News.

 


 

Frankreichs großer Soziologe Pierre Bourdieu, zuletzt der Motor einer weltweiten Bewegung gegen die Folgen neoliberalen Wirtschaftens, ist in Paris gestorben.

m Frühjahr 2001 nahm Pierre Bourdieu vom Collège de France mit einem Resümee seiner Lehrmeinungen Abschied. Er ärgerte noch einmal die Kollegen Philosophen: Sie hätten ihre Führerschaft in den Geisteswissenschaften an Soziologen seinesgleichen abgeben müssen. Am Mittwoch abend ist der 71jährige in Paris einem Krebsleiden erlegen.

Die europäische Linke hat einen weit über die Hörsäle hinaus wirksamen Denker und Sprecher verloren. Bourdieu war ein Medienstar, der 1995 vor streikenden Eisenbahnern flammende Reden hielt und transnationale Agitations-Netzwerke in aller Welt knüpfte. Mit seiner Kontaktgruppe Raisons d'agir gastierte er im November 2001 in Wien als Gast der Regierungsgegner; im Künstlerhaus wetterte er gegen Instrumentarien des von ihm bekämpfen Neoliberalismus (EU, Zentralbank), gegen den Sozialabbau als Folge der Schwächung der Nationalstaaten, gegen die Globalisierung.

Ein Dokumentarfilm, der den weltweit meistzitierten französischen Wissenschaftler auf der Kinoleinwand zeigt, trägt den Titel "Die Soziologie ist ein Kampfsport". Bourdieus Kritik fällt in letzter Zeit auf immer fruchtbareren, und nicht nur linken, Boden. Obwohl sein vorgedachtes Heilungsrezept, eine "Renaissance der europäischen Aufklärung", kaum mehr ist als wohlige Bekenntnismusik.

Ein wissenschaftliches Lebensthema des aus den Pyrenäen gebürtigen Beamtensohns, der seine Ausbildung an den Pariser Grand Ecoles genoß, waren, mit einem herrschaftskritischen Affekt, die akademischen, intellektuellen, politischen Eliten. Die Hauptakteure neoliberalen, globalen oder wenigstens gesamteuropäischen Wirtschaftens und Gesetzgebens attackierte er vorrangig ideologisch. Dabei sind seine epochemachenden Stärken die Sammlung von Alltagsgeschichten ("La misère de monde", 1993), Geschlechterrollen ("La distinction", 1979, deutsch: "Der kleine Unterschied", "La domination masculine", 1998), Machteliten ("Homo academicus", 1984).

Bourdieu hat sich auch oft zu den Medien geäußert. Sie reproduzieren die Ankündigungen der Mächtigen, sie fliegen auf alles Neue und schieben Einwände gegen den zunehmend beschleunigten Wandel als rückständig weg. 1999 fragte er, in Anwesenheit von Chirac und Jospin, als Redner vor siebzig Machthabern über internationale Medienkonzerne: "Wissen Sie wirklich, was Sie tun, was Sie im Begriff sind, anzurichten?" Die "Herrschaft des Kommerziellen" bedrohe "die besten Werke der Humanität, der Kunst, der Literatur und selbst der Wissenschaft". Doch wollte er nicht Nationales gegen Internationalität ausspielen: Es gehe "um den Kampf zwischen einer kommerziellen Macht, die anstrebt, ihre kommerziellen Interessen weltweit auszudehnen, und einem kulturellen Widerstand, basierend auf der Verteidigung universeller Werke, die von der entnationalisierten Internationale der Schöpferischen hervorgebracht wurden."

Bourdieu warf den Gewerkschaften vor, schon die Sprache der "ökonomischen Orthodoxie" übernommen zu haben. Wo sie in Europa regiert, mache die Linke die Politik der Rechten. Dagegen müsse ein neues "mouvement social", eine "realistische Utopie" organisiert werden. Eine Voraussetzung: die "Pflege des kulturellen Kapitals", also eine solide Bildungspolitik.
   


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